Das neue Rechnungslegungsrecht (2. Teil)

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6. Juni 2013

Als zweiter Teil unserer Blogserie „Das neue Rechnungslegungsrecht“ informieren wir Sie über die wichtigsten Änderungen im Zusammenhang mit der Jahresrechnung (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang).

Wer muss eine Jahresrechnung (Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung) erstellen?

  • Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die einen Umsatzerlös von mindestens 500’000 Franken im letzten Geschäftsjahr erzielt haben.
  • Juristische Personen.

Müssen alle Gesellschaften einen Anhang erstellen?

Nein, siehe Art. 959c Abs. 3 OR. „Einzelunternehmen und Personengesellschaften können auf die Erstellung des Anhangs verzichten, wenn sie nicht zur Rechnungslegung nach den Vorschriften für grössere Unternehmen verpflichtet sind. Werden in den Vorschriften zur Mindestgliederung von Bilanz und Erfolgsrechnung zusätzliche Angaben gefordert und wird auf die Erstellung eines Anhangs verzichtet, so sind diese Angaben direkt in der Bilanz oder in der Erfolgsrechnung auszuweisen.“

Mehr zum Thema Buchführung und Rechnungslegung erfahren Sie in unserem ersten Teil der Serie.

 

Bilanz

Neu wurden die folgenden wichtigen Begriffsdefinitionen im 32. Teil des Obligationenrechts festgehalten:

Aktiven (Art. 959 Abs. 2 OR)
Als Aktiven müssen Vermögenswerte bilanziert werden, wenn aufgrund vergangener Ereignisse über sie verfügt werden kann, ein Mittelzufluss wahrscheinlich ist und ihr Wert verlässlich geschätzt werden kann. Andere Vermögenswerte dürfen nicht bilanziert werden.

Umlaufvermögen (Art. 959 Abs. 3 OR)
Als Umlaufvermögen müssen die flüssigen Mittel bilanziert werden sowie andere Aktiven, die voraussichtlich innerhalb eines Jahres ab Bilanzstichtag oder innerhalb des normalen Geschäftszyklus zu flüssigen Mitteln werden oder anderweitig realisiert werden. Als Anlagevermögen müssen alle übrigen Aktiven bilanziert werden.

Verbindlichkeiten (Art. 959 Abs. 5 OR)
Verbindlichkeiten müssen als Fremdkapital bilanziert werden, wenn sie durch vergangene Ereignisse bewirkt wurden, ein Mittelabfluss wahrscheinlich ist und ihre Höhe verlässlich geschätzt werden kann.

Im alten Gesetz wurden das Fremdkapital noch nicht in kurz- und langfristig unterteilt. Entsprechend die neue Definition für das Fremdkapital:
Als kurzfristig müssen die Verbindlichkeiten bilanziert werden, die voraussichtlich innerhalb eines Jahres ab Bilanzstichtag oder innerhalb des normalen Geschäftszyklus zur Zahlung fällig werden. Als langfristig müssen alle übrigen Verbindlichkeiten bilanziert werden.

Hinsichtlich der Gliederung der Bilanz hat der Gesetzgeber neben wesentlichen Änderungen auch die Reihenfolge vorgegeben. Wesentliche Neuerungen in rot:

Umlaufvermögen

  • flüssige Mittel und kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs
  • Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
  • übrige kurzfristige Forderungen
  • Vorräte und nicht fakturierte Dienstleistungen
  • aktive Rechnungsabgrenzungen

Die Bilanzierung und Ausweis von Gründungs-, Kapitalerhöhungs- und Organisationskosten ist im neuen Gesetz nicht mehr möglich.

Anlagevermögen

  • Finanzanlagen
  • Beteiligungen
  • Sachanlagen
  • immaterielle Werte
  • nicht einbezahltes Grund-, Gesellschafter- oder Stiftungskapital

kurzfristiges Fremdkapital

  • Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
  • kurzfristige verzinsliche Verbindlichkeiten
  • übrige kurzfristige Verbindlichkeiten
  • passive Rechnungsabgrenzungen

langfristiges Fremdkapital

  • langfristige verzinsliche Verbindlichkeiten
  • übrige langfristige Verbindlichkeiten
  • Rückstellungen sowie vom Gesetz vorgesehene ähnliche Positionen

Eigenkapital

  • Grund-, Gesellschafter- oder Stiftungskapital, gegebenenfalls gesondert nach Beteiligungskategorien
  • gesetzliche Kapitalreserve
  • gesetzliche Gewinnreserve
  • freiwillige Gewinnreserven oder kumulierte Verluste als Minusposten
  • eigene Kapitalanteile als Minusposten

Zusätzlich wird in Artikel 959a Abs. 4 OR festgehalten, dass Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber direkt oder indirekt Beteiligten und Organen sowie gegenüber Unternehmen, an denen direkt oder indirekt eine Beteiligung besteht, jeweils gesondert in der Bilanz oder im Anhang ausgewiesen werden müssen.

 

Erfolgsrechnung

Das neue Recht sieht eine Mindestgliederung für eine Produktionserfolgsrechnung (Gesamtkostenverfahren) und der Absatzerfolgsrechnung (Umsatzkostenverfahren) vor. Wesentliche Neuerungen in rot:

Produktionserfolgsrechnung

  • Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen
  • Bestandesänderungen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen sowie an nicht fakturierten Dienstleistungen
  • Materialaufwand
  • Personalaufwand
  • übriger betrieblicher Aufwand
  • Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Positionen des Anlagevermögens
  • Finanzaufwand und Finanzertrag
  • betriebsfremder Aufwand und betriebsfremder Ertrag
  • ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Aufwand und Ertrag
  • direkte Steuern
  • Jahresgewinn oder Jahresverlust

Absatzerfolgsrechnung

  • Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen
  • Anschaffungs- oder Herstellungskosten der verkauften Produkte und Leistungen
  • Verwaltungsaufwand und Vertriebsaufwand
  • Finanzaufwand und Finanzertrag
  • betriebsfremder Aufwand und betriebsfremder Ertrag
  • ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Aufwand und Ertrag;
  • direkte Steuern
  • Jahresgewinn oder Jahresverlust

Bei der Absatzerfolgsrechnung sind Aufwendungen für Personal, Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Anlagevermögen im Anhang offen zu legen.

 

Anhang

Neben Bilanz und Erfolgsrechnung hat es auch im Anhang Veränderungen gegeben (z.B. Wegfall der Angabe von Brandversicherungswerten). Zusätzlich werden diverse Punkte, wie auch die umstrittene Durchführung einer Risikobeurteilung, neu nur noch von grösseren Unternehmen gefordert und wurden in den für diese Gesellschaften vorgesehenen zusätzlichen Langebericht verschoben. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in unserem 4 Teil der Blogserie. Wesentliche Neuerungen in rot:

  • Angaben über die in der Jahresrechnung angewandten Grundsätze, soweit diese nicht vom Gesetz vorgeschrieben sind
  • Angaben, Aufschlüsselungen und Erläuterungen zu Positionen der Bilanz und der Erfolgsrechnung
  • den Gesamtbetrag der aufgelösten Wiederbeschaffungsreserven und der darüber hinausgehenden stillen Reserven, soweit dieser den Gesamtbetrag der neugebildeten derartigen Reserven übersteigt, wenn dadurch das erwirtschaftete Ergebnis wesentlich günstiger dargestellt wird
  • weitere vom Gesetz verlangte Angaben:
    • Firma oder Name sowie Rechtsform und Sitz des Unternehmens
    • eine Erklärung darüber, ob die Anzahl Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt nicht über 10, über 50 beziehungsweise über 250 liegt
    • Firma, Rechtsform und Sitz der Unternehmen, an denen direkte oder wesentliche indirekte Beteiligungen bestehen, unter Angabe des Kapital- und des Stimmenanteils
    • Anzahl eigener Anteile, die das Unternehmen selbst und die Unternehmen, an denen es beteiligt ist, halten
    • Erwerb und Veräusserung eigener Anteile und die Bedingungen, zu denen sie erworben oder veräussert wurden
    • der Restbetrag der Verbindlichkeiten aus kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften und anderen Leasingverpflichtungen, sofern diese nicht innert zwölf Monaten ab Bilanzstichtag auslaufen oder gekündigt werden können
    • Verbindlichkeiten gegenüber Vorsorgeeinrichtungen
    • der Gesamtbetrag der für Verbindlichkeiten Dritter bestellten Sicherheiten
    • je der Gesamtbetrag der zur Sicherung eigener Verbindlichkeiten verwendeten Aktiven sowie der Aktiven unter Eigentumsvorbehalt
    • rechtliche oder tatsächliche Verpflichtungen, bei denen ein Mittelabfluss entweder als unwahrscheinlich erscheint oder in der Höhe nicht verlässlich geschätzt werden kann (Eventualverbindlichkeit)
    • Anzahl und Wert von Beteiligungsrechten oder Optionen auf solche Rechte für alle Leitungs- und Verwaltungsorgane sowie für die Mitarbeitenden
    • Erläuterungen zu ausserordentlichen, einmaligen oder periodenfremden Positionen der Erfolgsrechnung
    • wesentliche Ereignisse nach dem Bilanzstichtag
    • bei einem vorzeitigen Rücktritt der Revisionsstelle: die Gründe, die dazu geführt haben

Für weitere Auskünfte kontaktieren Sie uns gleich.

Autor:Alain Bienz
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